Pestizide in ökologisch und konventionell produzierten Lebensmitteln

Am 12.01.2016 veröffentlichte die Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen meinen Bericht “Pestizide in ökologisch und konventionell produzierten Lebensmitteln. Vergleich der Belastungssituation anhand gesamtdeutscher Daten der Lebensmittelüberwachung 2011-2013.” Die taz (Zu den Vitaminen gibt‘s Pestizide), die Berliner Zeitung (Öko- oder konventionelle Produkte? Der Pestizid-Vergleich) und Deutschlandradio (Hohe Pestizid-Werte in Obst und Gemüse. Bio-Esser haben’s besser) berichteten über die Ergebnisse der Studie und der volle Bericht (link zum pdf) ist auf meiner Webseite verfügbar.

Der Bericht stellt eine ausführliche Bewertung der von der Lebensmittelüberwachung in Deutschland untersuchten Bio-Lebensmittel dar. Daten aus 16 Bundesländern und drei Jahren wurden ausgewertet. Die Ergebnisse bestätigen, dass Bio-Lebensmittel nahezu pestizidfrei sind.

Die europäischen Rechtsvorschriften für Pestizide in Säuglingsnahrung erlauben für jedes einzelne Pestizid höchstens Rückstände von 0,01 mg/kg. Etwa 95% aller im Zeitraum 2011-2013 geprüften Bio-Proben enthielten sogar in der Summe aller Pestizide weniger als 0,01 mg/kg. Konventionell produzierte Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse eignen sich dagegen größtenteils nicht als Grundlage für Säuglingsnahrung.

Die folgende Abbildung fasst die Pestizidbelastung aller untersuchten Bio-Lebensmittel zusammen.

Pestizide_bio_2

Ein direkter Vergleich von 37 ökologisch und konventionell erzeugten Lebensmitteln zeigt, dass bei einigen konventionell erzeugten Lebensmitteln die Pestizidbelastung bis zu 3000mal höher ist.

Die folgende Abbildung zeigt die mittleren Gehalte (µg/kg) der 37 miteinander verglichenen Lebensmittel.

Pestizide_bio_vs_konv_1

Im Durchschnitt ist konventionelles Obst 350mal und konventionelles Gemüse 30mal stärker belastet – und hier muss man eher von einer Unterschätzung ausgehen, da einige Labore einiger Bundesländer weniger Pestizide messen. Die Belastung der Bio-Proben wird dagegen eher überschätzt, da natürlich gebildeter Schwefelkohlenstoff (CS2) und falsch deklarierte Bio-Proben nicht „aussortiert“ wurden. Hinzu kommt, dass bei einigen Bio-Lebensmitteln die Anzahl der untersuchten Proben gering war, so dass einzelne Kontaminationen prozentual schwerer ins Gewicht fallen. Für diesen Bericht wurde erstmals die kumulative Giftigkeit jeder Probe aus konventioneller und ökologischer Produktion für 37 Lebensmittel ermittelt und verglichen. Dazu wurde der Hazard Index berechnet. Die kritische Schwelle – ein Hazard Index von 0,2 oder mehr- wurde bei 5,7% der Lebensmittel aus konventioneller Produktion festgestellt. Bei den Bio-Lebensmitteln wurde der kritische Hazard Index von 0,2 nur in zwei Fällen (0,1% der Proben) überschritten.

Die wenigen Bio-Proben, die mit Pestiziden verunreinigt sind, enthalten überwiegend (über 90%) Pestizide aus der konventionellen Landwirtschaft. Abdrift und „Altlasten“ (z.B. DDT) im Boden spielen die größte Rolle. Das „Pestizidproblem“ in Bio-Lebensmitteln wird vor allem durch die konventionelle Landwirtschaft verursacht.
Einige Pestizide, die im ökologischen Anbau zugelassen sind, kommen in geringem Maße in Bio-Lebensmitteln vor: dies sind die drei insektiziden Wirkstoffe Spinosad, Azadirachtin und Pyrethrin. Kupfer wurde als essentielles Spurenelement aus unterschiedlichen Quellen (natürliches Vorkommen, Industrieemissionen, Landwirtschaft) aus der allgemeinen Bewertung ausgeschlossen. Ein Vergleich zeigt aber niedrige bzw. der gleich hohe Kupfergehalte in Lebensmitteln aus ökologischer Produktion.

Ausblick

Die ökologische Landwirtschaft ist eine inputreduzierte Landwirtschaft. Dies wirkt sich direkt auf die Pestizidbelastung der Lebensmittel aus. Weitere Untersuchungen auf der gleichen Datengrundlage zeigen aber auch signifikant niedrige Cadmiumgehalte in Bio-Roggen und Bio-Kartoffeln sowie sehr viel niedrige Gehalte an Fusarientoxinen und anderen Mykotoxinen (siehe Mykotoxine – die Bedrohung vom Bioacker?).
Die Bio-Landwirtschaft steht damit nicht nur in Bezug auf den Umweltschutz und Ökonomie (siehe Crowder & Reganold 2015) viel besser da als die konventionelle Landwirtschaft sondern produziert auch wesentlich geringer belastete Lebensmittel.

Echter staatlicher Verbraucherschutz sollte aktiv die Produktionsformen fördern, die die stoffliche Belastung der Verbraucher*innen verringern. Daher muss es einen Paradigmenwechsel bei der Festlegung von Rückstandshöchstgehalten geben.

Gegenwärtig dienen Rückstandshöchstgehalte schlichtweg der rechtlichen Absicherung der pestizidabhängigen Landwirtschaft, ihrer Zulieferer und des Lebensmittelhandels. Sie sollten aber auf der Pflanzenschutzmethode beruhen, die die geringsten Rückstände verursacht.

Ein Summenhöchstgehalt von 0,01 mg/kg für Pestizide scheint angesichts der Ergebnisse dieser Untersuchung durchaus möglich zu sein. Der Einsatz von Pestiziden in der ökologischen Landwirtschaft würde mit dieser Grenze ebenfalls beschränkt werden. Das wäre ganz im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft in der auf „Gesundheit“ des Bodens, vorbeugende Pflanzenschutzmaßnahmen, natürliche Schädlingskontrolle und den Anbau widerstandsfähiger