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Erlaubte Mengen von nikotin-ähnlichen Pestiziden (Neonicotonoide) in Lebensmitteln gefährlich hoch

Teil 2 der Beitragsserie zu unsicheren Höchstgehalten

Die gesetzlich erlaubten Pestizidmengen in Lebensmitteln werden nicht auf ihre gesundheitliche Bedenklichkeit überprüft. Darüber wurde im Teil 1 der Beitragsserie zu unsicheren Höchstmengen geschrieben. Die Unterschätzung der durch den/die VerbraucherIn gegessenen Pestizidmenge bei der Risikobewertung ist aber nicht der einzige Grund für unsichere Höchstgehalte.

Immer wieder wird die Giftigkeit von Pestiziden von den Behörden unterschätzt, aber die gesetzlichen Höchstgehalte der neuen Erkenntnis nicht angepasst. Dadurch kommt es zu unsicheren Höchstmengen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stellte 2013 fest, dass zwei der am häufigsten eingesetzten Insektizide Acetamiprid und Imidacloprid die Entwicklung des Nervensystems stören können und leitete daraus erheblich niedrigere toxikologische Grenzwerte (ADI & ARfD) ab (EFSA 2013[1]). Die Schwellen, ab denen negative Effekte auftreten können, liegen also niedriger als vorher angenommen. Die akute Giftigkeit  von Acetamiprid  für VerbraucherInnen wurde viermal höher eingestuft als vorher. Bei solch einer starken Unterschätzung der Giftigkeit müssten alle existierenden Rückstandshöchstgehalte überprüft werden.  Das passiert aber nicht. Ganz im Gegenteil. Anträge auf Anhebungen von Rückstandshöchstgehalten durch die Pestizidindustrie wurden noch 2014 mit den alten Grenzwerten bewertet (EFSA 2014[2]).

Rückstände von Neonicotinoiden, zu denen die beiden Stoffe gehören, können akut giftig auf den Menschen wirken. Eine umfangreiche Untersuchung in Japan zeigte bei über 4000 PatientInnen verschiedene Krankheitssymptome (z.B. Zittern[3] der Hände), die auf Rückstände von Neonicotinoiden in Obst, Gemüse und Tee zurückgeführt wurden (Taira 2014[4]). Die Symptome waren stark genug, dass es zu Klinikbesuchen kam und hörten auf als den PatientInnen der Verzehr der belasteten Lebensmittel von den Ärzten verboten wurde (ebenda).

Es handelt sich also bei zu hohen gesetzlich erlaubten Höchstmengen nicht um ein „theoretisches“ oder „wissenschaftliches“ Problem.

Die Auswirkungen des behördlichen Versagens potenzieren sich noch. Selbst die eher konservative  EFSA geht davon aus, dass sich die neurotoxischen Effekte (z.B. Zittern [engl. Tremor]) bei gleichzeitiger oder zeitnaher Aufnahme verschiedener Neonicotinoide addieren (EFSA 2014b[5]). Angesichts des weitverbreiteten Vorkommens in Lebensmitteln (siehe z.B. Ratgeber „Essen ohne Chemie Plus Version“) darf das nicht vernachlässigt werden.

Die nachstehende Tabelle 1 zeigt einige unsichere Höchstgehalte von Acetamiprid und Imidacloprid. Hier wurde die prozentuale Ausschöpfung der akuten Referenzdosis errechnet[6], wenn die Höchstmenge[7] erreicht wird (RHG100%). Diese sollte immer unter 100% liegen, sie liegt aber zum Teil fünfmal (Endivien, Radiccio) über der Wirkschwelle.

Tabelle 1: Erlaubte Höchstgehalte von Acetamiprid und Imidacloprid und die Berechnung der akuten Wirkschwelle (%ARfD) bei Erreichen des Höchstgehalts.

AcetamipridHöchstgehalt (mg/kg)% ARfD
Grapefruits0.9321
Orangen0.9477
Mandarinen0.9200
Bananen0.4133
Endivien, Radiccio1.5524
Kopfsalate z.B. Eisbergsalat3322
Äpfel0.8313
Birnen0.8291
Pfirsiche, Nektarinen0.8190
Tafeltrauben0.5131
Aprikosen0.899
ImidaclopridHöchstgehalt (mg/kg)% ARfD
Grapefruits1149
Orangen1221
Table grapes1109
Gemüsepaprika1105
Endivien, Radiccio2146

Die erlaubten Höchstgehalte von Acetamiprid und Imidacloprid sind zum Teil 5fach zu hoch und müssten schon seit zwei Jahren abgesenkt worden sein.

Die additive Wirkung wurde nicht einmal berücksichtigt. Dazu wird es einen anderen Blogbeitrag geben. Streng genommen sollte die prozentuale Ausschöpfung angesichts der additiven Wirkung nicht größer als 25% sein.

Es müssen nicht nur sofort die Rückstandshöchstgehalte von Acetamiprid und Imidacloprid heruntergesetzt werden. Es müssen auch umgehend Summenhöchstgehalte für Neonicotinoide festgesetzt werden. Generell muss gelten, dass bei Erkenntnissen zu höherer Giftigkeit von Stoffen, die Rückstandshöchstgehalte schnellstmöglich angepasst werden.

Fußnoten und Quellen

[1] EFSA (2013): Scientific Opinion on the developmental neurotoxicity potential of acetamiprid and imidacloprid. EFSA Journal 2013;11(12):3471 (PDF)

[2] EFSA (2014): Reasoned opinion on the modification of the existing MRL for acetamiprid in bananas. EFSA Journal 12(9):3824 [20 pp.]. doi:10.2903/j.efsa.2014.3824

[3] Auf Englisch “Tremor”

[4] Taira K (2014): Human neonicotinoids exposure in Japan. Japanese Journal of Clinical Ecology 23 (1), 14–24 (PDF)

[5] EFSA (2014b): Scientific Opinion on the identification of pesticides to be included in cumulative assessment groups on the basis of their toxicological profile (2014 update). EFSA Journal 11(7):3293, 131 pp. doi:10.2903/j.efsa.2013.3293

[6] Direkt im EFSA Verzehrsmengenmodell: http://www.efsa.europa.eu/de/mrls/docs/calculationacutechronic_2.xls

[7] EU Höchstgehalte Datenbank