Legale Pestizidlimits – Immer mehr im Mund?

Im November 2015 schrieb ich einen Artikel über die Zunahme der erlaubten Pestizidmengen in unseren Lebensmitteln. Damals stellte ich fest, dass zwischen 2010 und 2015 immer höhere Pestizidmengen im Essen erlaubt wurden.

Inzwischen sind fast 5 Jahre vergangen – Zeit für eine Aktualisierung. Ein weiterer Grund für diesen Artikel: Gesetzliche Höchstmengen werden wieder heftig umkämpft – und es gibt viel zu verlieren.

Pestizidhersteller und die Agrar-Industrie wollen Verbraucherschutz aushöhlen

Produzenten von Exportlebensmitteln in Drittstaaten und ganz besonders die Pestizidindustrie fühlen sich durch die angeblich zu strengen EU-Regeln benachteiligt. Sie lobbyieren aggressiv für eine Lockerung des VerbraucherInnenschutzes. Konkret geht es um Rückstände von Pestiziden, die besonders gefährlich für die menschliche Gesundheit sind und deshalb die EU-Zulassung verlieren. Deren gesetzliche Rückstandshöchstgehalte sollen automatisch auf die analytische Bestimmungsgrenze gesetzt werden. Ohne die Möglichkeit von „Importtoleranzen“.

Diese Regelung würde bei einigen Pestiziden zu einem Quasi-Anwendungsverbot in den exportierenden Ländern führen. Für die Pestizidindustrie bedeutet das den Verlust von Absätzen in Exportkulturen wie Bananen, Ananas und Soja etc. Deshalb sie kämpft mit allen Mitteln dagegen an. Rückstände von hochgefährlichen, in der EU nicht mehr erlaubten Pestiziden sollen ihrer Meinung nach weiterhin in unserem Essen erlaubt sein. Neuerdings scheint auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft diese Meinung zu teilen.

Dass es für einige, besonders giftige Pestizide keine Einfuhrtoleranzen gibt, ist eigentlich keine neue Regelung. Schon seit der ersten Fassung der zuständigen Verordnung, also seit 2005 steht in Artikel 3 , dass „Einfuhrtoleranzen“ – nur für Wirkstoffe vorgesehen sind, die nicht aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit von der Zulassung ausgeschlossen wurden. So interpretiert es auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL):

Es können jedoch nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe g) der VO (EG) Nr. 396/2005 weiterhin sog. Einfuhrtoleranzen gewährt werden, wenn die Pflanzenschutzmittel-Zulassung nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes versagt wurde.

Nur war diese Regelung bisher kaum relevant – die EU-Kommission hat die Zulassung besonders giftiger, relevanter Pestizide einfach immer verlängert. Erst in naher Zukunft verursacht die EU-Politik bei den Pestizidfirmen wahrscheinlich Profitverluste auch in Drittstaaten. Denn unter den kürzlich „geschassten“ hochgefährlichen Pestiziden befinden sich globale Bestseller wie Thiacloprid, Chlorothalonil, Propiconazole, Chlorpyrifos, Chlorpyrifos-methyl und demnächst vielleicht auch Epoxiconazole. Ein EU-RHG auf der Bestimmungsgrenze (i.d.R 0,01 mg/kg) würde in machen Fällen einem Verwendungsverbot gleichkommen.

In diesen Artikel möchte ich drei Fragestellungen bearbeiten:

  1. Wie haben sich die RHG in den letzten 4-5 Jahren entwickelt – hat sich der Trend von „immer mehr Chemie“ fortgesetzt?
  2. Wie haben sich RHG von Pestiziden entwickelt, die aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit von der Zulassung (Verordnung 1107/2009/EG) ausgeschlossen wurden (bzw. werden)?
  3. Wie steht es mit legalen Limits bei verbotenen Pestizide nach Verordnung 649/2012/EG?

Methodik

Für diese Auswertung habe ich die gesetzlich erlaubten Mengen (Rückstandshöchstgehalte [RHG]) von 2010, 2015, 2017 und die gegenwärtigen RHG (Februar 2020 ausgewertet). Für jeden Wirkstoff und jedes Lebensmittel in der RHG Datenbank habe ich für jedes Jahr alle RHG über der Bestimmungsgrenze (LOD) aufsummiert und gezählt. Außerdem habe ich meine eigene RHG Datenbank mit meiner Tox- und Zulassungsdatenbank verknüpft. Dadurch kann ich Pestizide mit besonderen Eigenschaften herausfiltern. Betrachtet werden hier nur Rückstandshöchstgehalte über der Bestimmungsgrenze (LOD).

Ergebnisse

Entwicklung von RHG – Übersicht

Die Anzahl der erlaubten Rückstandshöchstgehalte über der Bestimmungsgrenze hat seit 2015 um insgesamt 1.235 RHG abgenommen. Die Anzahl von RHG in Lebensmitteln tierischer Herkunft hat zugenommen (+808) und bei Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft abgenommen (-2.179). Letzteres ist schon mal ein gutes Zeichen.

Die Anzahl der Pestizidwirkstoffe mit Rückstandshöchstgehalten über der Bestimmungsgrenze hat seit 2015 insgesamt etwas abgenommen (-11 Wirkstoffe), obwohl 19 neue synthetische Wirkstoffe dazu gekommen sind.

Für 53 neue Stoffe wurde entschieden, dass für sie aufgrund geringer Toxizität keine RHG notwendig sind. Sie wurden auf den Annex IV der VO 396/2005/EG aufgenommen.

Die mittlere erlaubte Pestizidmenge (RHG Summe in mg/kg) pro Lebensmittel hat um etwa 45 mg/kg zugenommen. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht.

 2010201520172020
Anzahl RHG > LOD18214189801811717745
Anzahl RHG > LOD (pflanz. LM)15618156481410013469
Anzahl RHG > LOD (tierische LM)2595346840174276
Anzahl Wirkstoffe mit RHG > LOD344323315312
Anzahl neuer Wirkstoffe mit RHGs seit 2015n.a.n.a.n.a.19
Anzahl neuer Wirkstoffe ohne RHGs (Annex IV) seit 2015n.a.n.a.n.a.53
Mittlere RHG Summe (>LOD) in mg/kg pro Lebensmittel278.7286.15331.7331.4
Höchster RHG mg/kg1.500 Fosetyl-Al)1.500 Fosetyl-Al)1.500 Fosetyl-Al)2.000 Fosetyl-Al)

RHG-Änderungen nach Pestiziden

Im Jahr 2015 hatten 323 Pestizide einen oder mehrere Rückstandshöchstgehalt(e) über der Bestimmungsgrenze. Zwischen 2015 und 2020 gab es bei ca. 30% dieser Pestizide Anstiege der Rückstandshöchstgehalte und bei etwa 28% gab es Absenkungen. Für die übrigen Pestizide veränderten sich die RHG nicht wesentlich (+/-5% Änderung).

Die nachstehende Abbildung zeigt die Verteilung der RHG Änderungen bei den 323 Pestiziden.

Abbildung 1: Änderungen von Rückstandshöchstgehalten (RHG) seit 2015 bei 323 Pestiziden

Bei 14 Wirkstoffen gab es extrem starke Erhöhungen bis zu 6000% der RHG Summe von 2015. Die höchste Anhebung (Fenamidon) wurde durch die Aufnahme von RHG der internationalen Codex Alimentarius Commission verursacht. Andere RHG (z.B. für Zoxamide, Deltamethrin, Spinetoram) wurden auf Antrag u.a. der Pestizidindustrie angehoben. 

Die nachstehende Abbildung zeigt verschiedene Ergebnisse:

  1. Links: Die meisten RHG-Anstiege (n=95) wurden bei Pestiziden erlaubt, die in der EU zugelassen sind. Für nur sehr wenige Pestizide, die nicht in der EU zugelassen sind, wurden die RHG angehoben (z.B. Fenamidon).
    Alle Anhebungen von kürzlich (2018/19) ausgeschlossenen Wirkstoffen wurden vor deren Ausschluss beschlossen.
  2. Mitte: Die meisten Anhebungen gab es bei Fungiziden und Insektiziden, das ist nicht weiter verwunderlich, da diese Pestizide direkt auf die späteren Lebensmittel gespritzt werden.
  3. Rechts: Unter den Pestiziden, für die RHG angehoben wurden, befinden sich viele sehr giftige – gemessen am ADI. Wirkstoffe mit einem ADI < 0,025 mg/kg Körpergewicht (höhere Toxizität) machen etwa 38% der Anhebungen aus.
Abbildung 2: EU-Zulassungsstatus, Verwendung und Toxizität (ADI Werte in mg/kg Körpergewicht) von Pestizide mit RHG-Anhebungen

Auf der „Gegenbilanz“ sieht es so aus, wie in der folgenden Abbildung:

  1. Links: Über die Hälfte der Wirkstoffe für die RHG Absenkungen vorgenommen wurden (n=89), sind (inzwischen) nicht mehr in der EU zugelassen.
  2. Mitte: Die meisten Absenkungen gab es bei Insektiziden. Die Anzahl der Absenkungen unter den Herbiziden und Fungizide ist jeweils ähnlich hoch.
  3. Rechts: Erfreulicherweise wurden für viele sehr giftige Wirkstoffe – wieder gemessen am ADI – die RHG abgesenkt. Wirkstoffe mit einem ADI < 0,025 mg/kg Körpergewicht machen etwa 63% der Absenkungen aus.

Abbildung 3: EU-Zulassungsstatus, Verwendung und Toxizität (ADI Werte in mg/kg Körpergewicht) von Pestizide mit RHG-Absenkungen

Besonders gefährliche Pestizide nach VO 1107/2009/EG

Von den 323 Pestiziden, welche 2015 mindestens einen RHG hatten (und Flumioxazin), werden gegenwärtig 26 Pestizide als so gefährlich für die menschliche Gesundheit eingestuft, dass sie nicht zugelassen sein sollten (siehe Anhang 3 in VO1107/2009/EG). Diese Pestizide sind entweder wahrscheinlich krebserregend (GHS Carc 1B), wahrscheinlich mutagen (GHS Muta 1B), wahrscheinlich reproduktionstoxisch (GHS Repr 1B) oder hormonell wirksam (Carc 1/2 UND Repr 1/2).

Acht dieser 26 Wirkstoffe sind noch immer zugelassen, sieben verloren die Zulassung erst kürzlich und die restlichen 11 sind schon länger nicht mehr zugelassen. Die kürzlich verbotenen Pestizide dürfen von Landwirten noch bis zu bestimmten Fristen aufgebraucht werden. Daher gelten noch die früher festgelegten Rückstandshöchstgehalte.

Die nachfolgende Tabelle zeigt aber, dass die RHG für nicht zugelassene, hochgefährlich Stoffe i.d.R. auf die Bestimmungsgrenzen (Einträge mit 0) gesetzt werden. Eine größere Ausnahme ist Carbendazim/Benomyl, dieser Stoff wurde aber nicht wegen der Einstufung als Mutagen und Reproduktionstoxin ausgeschlossen – man hat die Zulassung von Carbendazim nach jahrelanger Verlängerung einfach auslaufen lassen. Bei Amitrole gibt es noch zwei RHG für “Trauben” i.S. d. Verordnung.
Amitrole wurde ausgeschlossen, weil es hormonell wirksam ist und als Repr. 1B eingestuft wird.

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PestizidAnwendungEU-StatusAusschlußjahrADI mg/kg bwGHS CarcGHS MutaGHS Repr#LM 2010#LM 2015#LM 2017#LM 2020Summe RHG 2010Summe RHG 2015Summe RHG 2017Summe RHG 2020Änderung 15->20 (%)
*Einstufung durch die EU-Kommission im Rechtsakt des Ausschlusses.
**Der ADI Wert von Chlorpyrifos-methyl ist vermutlich 10fach zu hoch. Die Giftigkeit ist wesentlich höher und mit Chlorpyrifos vergleichbar (siehe Rechtsakt zum Aussschluss)
Ablauf (D) = Ablauf der Zulassung wegen unvollständiger (Wieder-)Zulassungsanträge.
HexachlorobenzeneINBanned19780.00051B10310310319.69.69.60.05-99.5
TridemorphFUAblauf (D)2004n.a.1B300020.4000-100
VinclozolinFUAblauf (D)20050.00521B2400065.6000-100
CyanamidePGRAusschluß20080.0022288001.61.600-100
DinocapFU, ACAblauf20090.0041B140011.6400-100
AcetochlorHEAusschluß20110.0036227878002.892.8900-100
Flusilazole
FUAblauf20130.00221B6200013.05000-100
Carbendazim and BenomylFUAblauf20140.021B1B3231313118.817.517.517.50
TepraloxydimHEAblauf20150.02522493638032.323.424.20-100
AmitroleHEAusschluß20160.0011B258258223,383,380,100,1-97
LinuronHEAusschluß20170.00321B202020012.612.612.60-100
Glufosinate-ammoniumHEAblauf20180.0211B556016016050.158.0580.9580.9539.5
IprodioneFUAusschluß20180.021B*99991320503.6503.6769.180-100
ChlorothalonilFUAusschluß20190.0151B*821099191255.3334.22247.44247.44-26
PropiconazoleFUAusschluß20190.041B102953531.539.450.5552.7534
ChlorotoluronHEAnnex I20200.0422039393901.951.951.950
DimoxystrobinFUAnnex I20200.0042256330.350.680.460.46-32
Epoxiconazole
FUAnnex I20200.00821B677777779.0510.9610.9610.960
FlumioxazineHEAnnex I20200.0091B00000000-100
SpirodiclofenINAnnex I20200.0151B23450505041.1568.7573.6573.657
ThiaclopridINAusschluß20200.0121B179183151152339.6340.55337.16338.11-0.7
TriflumizoleFUAnnex I20200.051B131313611.211.211.25-55
ChlorpyrifosINAusschluß20200.0011B*7777627293.4593.4581.0591.42-2
Chlorpyrifos-methylINAusschluß20200,01**1B*5353539476.676.676.678.863
CarbetamideHEAnnex I20210.0621B939393210.210.210.21.2-88
CyproconazoleFUAnnex I20210.021B345055569.218.5719.1719.575.4

Interessant ist der Vergleich von Iprodione und dem BAYER Bestseller Glufosinat. Für Iprodione wurden die RHG schnell herabgesetzt, für Glufosinat nicht. Der Grund dafür mag der Gleiche sein, wie für Carbendazim. Glufosinat wurde nicht wegen der Einstufung als Reproduktionstoxin ausgeschlossen – man hat die Zulassung – wieder nach jahrelanger Verlängerung der Zulassung – einfach auslaufen lassen.

Das bedeutet: WIE ein Wirkstoff von der Zulassung ausgeschlossen wird/wurde, spielt eine Rolle für die Höhe der Rückstandshöchstgehalte.

Verbotene Pestizide nach VO 649/2012/EG

DDT und andere POPs (persistant organic pollutants) wurden schon in den 1970iger in den westlichen Industrieländern verboten. Ihre große Gefährlichkeit führte zu internationalen Abkommen u.a. zum Handel von Chemikalien. In der EU wird der Chemikalienhandel u.a. durch die VO 649/2012/EG über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien geregelt. Pestizide und andere Chemikalien werden nach dieser Verordnung als verboten eingestuft, wenn sie besonders gefährlich für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt sind.

Wird ein Pestizid in der EU aus der Zulassung genommen, also vom Annex I der VO 1107/2009/EG gelöscht, wird geprüft ob und wie es im internationalen Handel geregelt werden soll. Dies wird in der Verordnung 649/2012/EG festgelegt.

Für die POPs gibt es beispielsweise ein Exportverbot, bei anderen Chemikalien müssen die Empfängerländer vor einem Import zustimmen. Auf der Liste der verbotenen Chemikalien befinden sich sehr viele Pestizide: Carbendazim, Parathion, Paraquat usw.

Für mehr als 40 dieser verbotenen Pestizide gibt es noch Rückstandshöchstgehalte. Diese Pestizide dürfen so über importierte Lebensmittel wieder zu uns gelangen. Die folgende Abbildung zeigt die gegenwärtige Anzahl von RHG > LOD für verbotene Pestizide mit >10 RHG.

Abbildung 4: Verbotene Pestizide (nach Verordnung 649/2012/EG) und deren Anzahl an RHG > LOD nach Lebensmittelgruppen (nur Pestizide mit 10 oder mehr RHG > LOD)


RHG-Änderungen nach Lebensmitteln

Wie bereits in der Übersicht gezeigt, hat sich bei pflanzlichen Lebensmitteln die Anzahl der erlaubten RHG verringert. Das ist erst einmal positiv zu bewerten. Bei tierischen Lebensmitteln sind jedoch mehr Rückstände erlaubt als 2015.

Bei den pflanzlichen Lebensmitteln gab es insgesamt mehr Absenkungen als Anhebungen von RHG. Die folgende Abbildung zeigt, dass es stärkere Anstiege bei 18,5% der pflanzlichen Lebensmittel gab und stärkere Absenkungen bei 61%.

Abbildung 5: Änderungen von Rückstandshöchstgehalten (RHG) bei 247 Lebensmitteln seit 2015

Die höheren Anstiege fanden vor allem bei Nüssen statt.

Die RHG in Obst, Gemüse, Kräutern und Pilzen sind fast gleich hoch geblieben, wobei es momentan insgesamt weniger erlaubte Rückstände gibt. Die nachstehende Abbildung zeigt die Verteilung aller RHG (>LOD) in Obst, Gemüse, Kräutern und Pilzen (ohne Zitrusfrüchte und anderes, zu schälendes Obst und Gemüse).

Abbildung 6: Verteilung aller RHG > LOD bei nicht zu schälendem Obst, Gemüse sowie bei Kräutern und Pilzen 2015 und 2020

Der Median und das 75. Perzentil sind 2020 und 2015 gleich. Der Mittelwert liegt 2020 bei 4,5 mg/kg und damit etwas höher als 2015, weil sich der Maximalwert (höchster RHG) mehr als verdoppelt hat. Die hohen Werte (>10 mg/kg) sind in der Abbildung nicht sichtbar, weil es in diesem Format nicht möglich ist, die Spanne von 0,01-300 mg/kg zu zeigen.

Die starke Erhöhung der Maximalwerte ist auf eine geänderte Rückstandsdefinition von Fosetyl(-Al) zurückzuführen, welche zu vielen Überschreitungen der RHG führte und „Um erhebliche Marktstörungen im Handel mit den betreffenden Produkten zu vermeiden (…)“ wurden die RHG massiv angehoben.

Auf der Webseite der EU Kommission kann
übrigens jedeR für jedes Pestizid nachschauen, wie sich die RHG entwickelt haben (check bei „MRLs Evolution“).

Zusammenfassung

Insgesamt hat sich der Trend der immer stärkeren RHG Anhebungen nicht fortgesetzt. Bei pflanzlichen Lebensmitteln gab es mehr Absenkungen als Anhebungen. Weitere Absenkungen für hochgefährliche Wirkstoffe werden dieses Jahr wahrscheinlich noch in Kraft treten. Jedenfalls, wenn sich die mächtigen Pestizidkonzerne und die Agrar-Lobby nicht durchsetzen.

Die Zivilgesellschaft muss sich also weiter engagieren. Fortschritt geschieht nicht von selbst.

Trotz der eher positiven Entwicklung in den letzten Jahren sind längst nicht alle Probleme gelöst. Viele RHG sind immer noch zu hoch, weil grundlegende Defizite bei der Festlegung von RHG nicht beseitigt wurden: Es fehlen immer noch Summengrenzwerte, das chronische Risiko wird unterbewertet und die multiple Belastung aus den vielen Schadstoffquellen wird nicht berücksichtigt. Den eher positiven Trend leite ich hier von einer begrenzten Anzahl von Parametern ab. Eine Berechnung der potenziellen chronischen und akuten Risiken wäre interessant, ist in diesem Rahmen aber nicht machbar. Immerhin wurden für viele sehr giftige Pestizide (mit niedrigem ADI-Wert) die RHG abgesenkt (Abbildung 3). Gründlicher ansehen, sollte man sich aber noch die Anhebungen ähnlich giftiger Stoffe (Abbildung 2).

Wie in vielen Rechtsbereichen (siehe dazu auch die Artikelserie zu Schadstoffen in Lebensmitteln) der EU zeigt sich bei den RHG für verbotene Pestizide eine deutliche Inkohärenz. Hochgefährliche Pestizide sind in Lebensmitteln erlaubt, abhängig davon WIE es zum Anwendungsverbot kam. Läuft die Zulassung eines mutagenen Stoffe einfach aus, können weiterhin RHG festgelegt werden, wird ein Pestizid aber wegen derselben Toxizität per Rechtsakt ausgeschlossen, sind z.B. keine Einfuhrtoleranzen erlaubt. Vor dem Export mancher, extrem giftiger Pestizide müssen die Empfängerländer informiert werden, damit diese die Möglichkeit haben den Import zu verhindern. Gleichzeitig erlaubt man seitens der EU Rückstände dieser Pestizide in importierten Lebensmitteln (z.B. in Gewürzen, Tees, Kaffee).

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