Aalräucherei Auf Einem Markt.

Zielkonflikte – Wirtschaft versus Verbraucherschutz?

Neulich kaufte ich mir ein unterhaltsames Buch mit dem Titel „Kaum macht man mal was falsch, ist das auch wieder nicht richtig“ von Kirsten Fuchs. Der Titel des Buches und das beruflich bedingte und weniger unterhaltsame Lesen einiger  Verordnungstexte, brachte mich auf die Idee ein altes Thema aufzugreifen: Zielkonflikte.

Zielkonflikte – Konflikte zwischen (sich ausschließenden) Zielen – kennt wohl jedeR – und auch im Spannungsfeld von Wirtschaft, Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz ist es oft nicht einfach zu entscheiden, was falsch und was richtig ist. Kompromisse und Lösungen, die alle akzeptieren können, müssen demokratisch erarbeitet und manchmal erkämpft werden.

Durch das Räuchern enthält Räucherfisch neben der allgemeinen Kontamination mit Schwermetallen und anderen Kontaminanten aus der Umwelt (z.B. Flammschutzmittel, PCB, Dioxine) auch eine ganze Menge polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK). Aus toxikologischer Sicht sollte man die Aufnahme solcher Stoffe möglichst vermeiden, da sie krebserregend und erbgutschädigend sind – d.h. die lineare Dosis-Wirkungsbeziehung ist aufgehoben.

Die gesetzlichen Höchstgehalte für PAK werden aber nicht aus Perspektive des Verbraucherschutzes gemacht, sie sind auch nicht toxikologisch begründet, sondern orientieren sich an den technischen Möglichkeiten der Lebensmittelproduktion[1].

Im Jahr 2011 hatten Erhebungen gezeigt, dass es technisch möglich wäre, die Räucherprozesse so zu ändern, dass man die PAK Konzentrationen immerhin reduzieren könnte. Man beschloss also zum 01.09.2014 die Höchstgehalte abzusenken und damit die Räuchereien zum Umstellen auf verbraucherfreundlichere Produktion zu motivieren. Damit ist man größtenteils gescheitert. Die Höchstgehalte wurde für viele Herkunftsländer nicht abgesenkt.

In der Begründung heißt es dass:  „(…) auch bei weitestgehender Anwendung guter Räucherpraxis, in bestimmten Fällen bei traditionell (…)  geräuchertem Fisch und Fischereierzeugnissen (…), die niedrigeren PAK-Werte nicht erreichbar sind. Solche traditionell geräucherten Erzeugnisse würden mithin von Markt verschwinden, was zur Schließung vieler kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) führen würde.“ Außerdem wurde angeführt, dass sich der Geschmack der Räucherware signifikant ändern könnte.

Die Begründung wirft viele Detailfragen auf:

  • Waren in der Erhebung 2011 keine traditionellen Räuchereien erfasst worden? Wenn doch, konnte die Mehrzahl damals bessere Standards d.h. niedrigere PAK Werte erreichen?
  • Was ist überhaupt mit „traditionell“ gemeint?
  • Was bedeutet „weitestgehend“, was „gute Räucherpraxis“? Ist „Gute Räucherpraxis“ ähnlich sinnentleert wie der Begriff „Gute landwirtschaftliche Praxis“?
  • Verkaufen Räuchereien mit PAK reduzierter Technologie wirklich weniger Fisch, weil er anders schmeckt?
  • Könnte eine stärkere Regulierung nicht auch zu (Produkt)Innovationen bei KMUs führen?
  • Sind laschere Verbraucherschutzstandards ein Überlebensgarant für KMUs? Und wenn das so wäre, was dann?

Die Hauptfrage bleibt natürlich die nach den Werten, den Zielen. Verbraucherschutz wird immer den wirtschaftlichen Interessen untergeordnet, jedenfalls solange sich die Zivilgesellschaft nicht einmischt. Da ist auch hier der Fall – vermeintlich würden höhere Verbraucherstandards kleinere und mittlere Unternehmen gefährden. Diese „Keule“ wird immer wieder geschwungen, und man kann das glauben oder auch nicht. Belege habe ich dafür noch nie gesehen. Ursachen für Verschwinden kleiner und mittlerer Unternehmen gerade aus dem ländlichen Raum gibt es viele und vielen davon könnte man entgegenwirken, aber den Verbraucherschutz zu opfern, scheint der falsche Weg zu sein. Es müssen bessere Kompromisse gefunden werden, ein Ausspielen der Interessen gegeneinander sollte nicht stattfinden.

[1] Im Verordnungstext heißt es für PAK u.a.: die Höchstgehalte sind so niedrig festzulegen, wie in vernünftiger Weise erreichbar. Eine toxikologische Bewertung findet i.d.R. nicht statt.