Wäre ich die NSA…

Wäre ich die NSA, hätte ich wahrscheinlich eine Standleitung zu den Datenbanken des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Bundesregierung würde das auch wissen und schweigen. Als Verbraucher hat man es da schwerer. Als Kritiker, der u.a. Studien über das Versagen der Lebensmittelüberwachung schreibt und unsichere Höchstgehalte thematisiert (siehe u.a. Warum nicht gleich würfeln?), hat man es ungleich schwerer.

Als das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft trat, habe ich den Zugang zu den anonymisierten Einzeldaten der Lebensmittelüberwachung beim o.g. Amt beantragt. Der Zugang wurde verweigert. Mit der Begründung, das BVL sei gar nicht der Besitzer der Daten, sondern „verwalte“ sie nur im Namen der Bundesländer. Ich klagte. Befragte den Beauftragten für Informationsfreiheit. Der gab mir Recht. Nach vielen Jahren Klage, knickte das BVL vor dem Kölner Verwaltungsgericht ein. Die fünf Richter und Richterinnen waren meiner Meinung und das BVL gewährte Zugang. Die beantragten Daten waren inzwischen so veraltet, dass ich sie nicht verwertete.

Erst als ich die Idee für die Ratgeber APP „Essen ohne Chemie“ umsetzen wollte, machte ich von der geklärten Rechtslage Gebrauch und beantragte wieder anonymisierte Einzeldaten der Lebensmittelüberwachung. Erst sollte ich über die Gebühren abgeschreckt werden: es könnte über 10.000 Euro kosten, hieß es. Ich ließ es darauf ankommen und der Zugang wurde bewilligt.

Normalerweise muss ein Amt innerhalb eines Monats nach Antragstellung die beantragten Informationen/Daten liefern.

Passiert nie.

Ausreden gibt es reichlich: „die Daten sind noch nicht gut genug aufbereitet“, „der Mitarbeiter ist krank“, „es gibt gerade personelle Engpässe wegen der Quartalsberichte“.

So kann man schon mal ein halbes Jahr hingehalten werden. Zufälligerweise bekommt man die Daten immer kurz nachdem das Amt seine eigenen Berichte über die Daten veröffentlicht hat.

Hat man die Daten nun aber endlich in den Händen, darf man sie nicht einfach weiterverwenden. Jegliche Nutzung über die intellektuelle Wahrnehmung und Erlangung von Wissen hinaus, muss nach Ansicht des Amtes ebenfalls beantragt werden. Die Verwendung wird – natürlich erneut gegen Gebühren – entweder gewährt oder eben nicht.

Natürlich bin ich anderer Meinung. Wenn jemand für – vom Steuerzahler bereits finanzierte –  Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung bereits sehr hohe Gebühren bezahlt und diese so stark bearbeitet, dass ein Ratgeber herauskommt, der mittels Farbschema sagt: Ware aus xyz ist weniger belastet als aus zyx, dann muss ich das Amt nicht um Erlaubnis fragen. Das ist absurd und völlig gegen die Idee der Informationsfreiheitsgesetze.

Hier wurden Gesetze, in diesem Fall das Informationsweiterverwendungsgesetz installiert, um das Bundesamt für Verbraucherschutz vor dem Verbraucher (und vor Kritikern) zu schützen – denen es prinzipiell ohne anwaltliche Hilfe, viel Ausdauer und einigen finanziellen Ressourcen unmöglich ist, sinnvollen Zugang zu Informationen zu bekommen.

Manchmal wünschte ich, ich wäre die NSA… nein, lieber doch nicht. Ich glaube noch an den Rechtsstaat, kann es aber niemanden verdenken, der es nicht mehr tut.