Berechnung der Grenzwertausschöpfung

Berechnung der Grenzwertausschöpfung

In meiner Bewertung von Rückständen für die APP „Essen ohne Chemie“ benutze ich verschiedene Kriterien (siehe Bewertungssystem). Die meisten erschließen sich (hoffentlich) von selbst, aber viele BenutzerInnen werden möglicherweise Schwierigkeiten haben das Kriterium „prozentuale Ausschöpfung von Grenzwerten“ zu verstehen.

Es ist eigentlich ganz einfach: es wird berechnet ob eine Schadstoffkonzentration in einem Lebensmittel einen festgelegten toxikologischen Grenzwert erreicht. Diese Grenzwerte sind ARfD für akute Effekte und ADI/TDI für chronische Effekte.

Im Detail ist die Berechnung jedoch sehr komplex, denn es müssen viele Variablen berücksichtigt werden:

  1. die Höhe des Rückstandes,
  2. Angaben über den Konsum (Verzehr) des belasteten Lebensmittels,
  3. das durchschnittliche Körpergewicht der Zielgruppe,
  4. durchschnittliche Gewichte der untersuchten Lebensmittel (für ARfD Berechnung bestimmter Lebensmittel),
  5. Variabilitätsfaktoren, die die unterschiedliche Belastung einzelner Früchte berücksichtigen (nur für ARfD Berechnung bestimmter Lebensmittel),
  6. Verarbeitungsfaktoren, die die Veränderung der Rückstände bei der Verarbeitung (z.B. Schälen bei Bananen und Zitrusfrüchten, Kochen bei Kartoffeln) und
  7. die individuellen Grenzwerte (ARfD, ADI/TDI) für jeden Stoff.

Die meisten dieser Variablen sind für jedes Lebensmittel und jede Zielgruppe verschieden. So essen Kinder, bezogen auf ihr Körpergewicht viel mehr frisches Obst, während Erwachsene zum Beispiel weit mehr Kaffee und Alkohol trinken. Viele Teenager wiederum scheinen eine Vorliebe für Fastfood zu haben. Aber für das alles gibt es mehr oder weniger vollständige Datensammlungen und auch für die Berechnungen gibt es „staatlich anerkannte“ Formeln.

Prinzipiell wird immer die Schadstoffaufnahme (Konzentration [Rückstand] x Konsum) für das Körpergewicht berechnet und dann verglichen.

Die folgende Tabelle zeigt ein Beispiel für die Bewertung des akuten Risikos für Pestizide in Tafeltrauben.

WirkstoffARfD Wert mg/kg KörpergewichtRückstand (mg/kg)Pestizidaufnahme (mg)ARfD Kind (ARfD Wert x Körpergewicht [16,15])ARfD Ausschöpfung (%)
Chlorpyrifos0,10,540,57111,61535
Methidation0,010,10,10580,161565
Fenitrothion0,040,440,46530,64672
Procymidon0,0120,510,53930,1938278
Pyrimethanil-0,650,6874--
Triadimenol0,080,360,38071,29229
Acrinathrin-0,010,0106--

Ein Kind  mit einem Körpergewicht von 16,15 kg isst gelegentlich 211,5 Gramm Tafeltrauben auf einmal (bzw. an einem Tag). Dieser Wert wurde statistisch erhoben und stellt die „Verzehrsmenge“ dar.

In dieser Probe wurden sieben Pestizide nachgewiesen. Von den sieben haben fünf einen Grenzwert (ARfD). Die anderen beiden werden von den Behörden für den Verbraucher als  ungiftig (akute Giftigkeit) betrachtet.

Ich betrachte hier nur einen der Rückstände: Procymidon.

Ein Kind mit einem Körpergewicht von 16,15 kg sollte nur 0,1938 mg Procymidon aufnehmen (Körpergewicht x ARfD Wert für Procyimidon). Um zu überprüfen ob der Rückstand diese Grenze überschreitet, wird die Aufnahme durch den Rückstand von 0,51 mg/kg in den 211,5 Gramm Tafeltrauben berechnet[1]. Das Ergebnis wird dann mit der Grenze von 0,1938 mg verglichen. Man sieht in der Tabelle, dass die prozentuale Ausschöpfung 100% überschreitet und das sollte nicht vorkommen. Deshalb würde diese Probe als „Rot“ bewertet werden.

Die Bewertung, ob die Grenzwerte ADI/TDI erreicht werden, erfolgt nach dem gleichen Vorgehen, aber die Daten sind andere und die Formeln enthalten weniger Variablen.

Weiterführende Literatur

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat ein Berechnungsmodell bereitgestellt, wo jeder Grenzwertausschöpfungen in Excel nachrechnen kann (link geht zu einer ZIP Datei).

Eine sehr ausführliche Beschreibung ist hier zu finden

Neumeister L (2008): Die unsicheren Pestizidhöchstmengen in der EU, Überprüfung der harmonisierten EU-Höchstmengen hinsichtlich ihres potenziellen akuten und chronischen Gesundheitsrisikos, (108 S.), Report im Auftrag von Greenpeace e.V. (Hamburg) und GLOBAL 2000 (Wien)

 

[1] Die Berechnung  berücksichtigt u.a. auch dass die Lebensmittelüberwachung eine Mischprobe untersucht hat und die einzelne Traube 5 mal stärker belastet sein kann. Man kann also nicht einfach Rückstand x Konsum für die Aufnahme berechnen.